Was für ein Frust, es ist fast nicht zu glauben. Vorgestern haben wir die freudige Nachricht erhalten, dass ganz Malaysien ab dem 4. Mai den Lockdown etwas auflockert. Der Wirtschaftsmininster hat festgestellt, dass sich das Land eine weitere Schliessung nicht leisten kann. Bis dato hat die Schliessung RM 63 Milliarden gekostet, wenn man noch ein Monat verlängere seien knapp RM 100 Milliarden an Verlusten zu verzeichnen.
Geschäfte auch Restaurants werden wieder geöffnet, or allem für uns wichtig, man darf wieder an Land zum Joggen oder Fahrradfahren in Gruppen bis zu 10 Personen. Wir sind zu zweit, also alles gut. Wir haben uns mächtig auf den morgigen Tag gefreut.
Jetzt kommt das „haben“: gerade eben bekommen wir die Information, dass der Staat Kedah, in dem Langkawi liegt hier eine Ausnahme ist und nicht lockert. Es ist einfach unglaublich. In Langkawi waren vor 8 Wochen ganz am Anfang 4 Infizierte gemeldet gewesen, die natürlich allesamt schon seit Wochen genesen sind. Wir fühlen uns hundeelend und den Tränen nahe, noch mehr wenn wir die alternativen Meinungen zu dem Thema lesen.
Zudem hat gestern abend ein vermeindlicher Freund von uns eine komplette Hasstirade losgelassen, als wir unser neues Video auf Youtube geladen haben. Ganze 4 Tage Arbeit steckten schon in diesem Video zu diesem Zeitpunkt.
Worum geht es darin, was soll diese Aufruhr?
Yacht Huia gestrandet am Paradiese 101 in Telaga
Vor ein paar Tagen hier in der Bucht: der Himmel ist dunkler als je zuvor. Der Wind fängt an zu heulen, wie wir es schon seit sehr langem nicht mehr erlebt haben, spontan nehme ich die Kamera nach draussen, denn ich finde es ziemlich spektakulär.
Und es geht auch nicht lange, bis wird die ersten Yachten durch die Bucht driften sehen. 2 oder 3 gehen Anker auf und suchen sich einen neuen Fleck, zum Glück weit genug von uns weg.
Unser Anker hält, den haben wir vor 9 Wochen zusammen mit Gaby und Markus in eineinhalb stündiger präziser Ankerarbeit so gut gesetzt, dass er keinen Wank macht. Das soll schliesslich auch so sein.
Auf einmal sehen wir auf der linken Seite der SHE SAN eine Yacht durch die Bucht gleiten, die Planen wehen weit übers Deck, es scheint niemand an Bord.
Oh je, denken wir, da sehen wir schon den Ruck, wie sie zum Stehen kommt. Was für ein Mist. Wir sind beide megabetroffen und fangen sofort an zu rätseln, wie wir nur irgendwie helfen können, bevor es zu spät ist und die Yacht an der Grundberührung Schaden nimmt.
Reto telefoniert spontan mit Peter von der Mardos, sie überlegen sich schon in die Dinghies zu hüpfen. Dann rufe ich Majj an, einen Brasilianer, auf den ich bisher eigentlich etwas gehalten habe. Majj meint spontan „die Yacht steht hier schon 2.5 Jahre, die Kette ist sicher voll mit Muscheln, da verletzen wir uns nur, da können wir nichts tun“.
Wir sehen uns den Tidenverlauf an und realisieren, dass das Wasser zurückgeht, wir können also tatsächlich nichts für die arme Yacht tun.
Nach einer beiderseits unruhigen Nacht gilt mein erster Blick hinaus der Yacht. „Sie ist weg, Reto, die hat jemand in der Nacht weggezogen“ rufe ich erfreut aber auch erstaunt. Das Hochwasser war morgens um 3 Uhr, wer hätte denn das geschafft mitten in der Nacht? „Oh nein, sie steht jetzt am Ende des Strandes, direkt vor der Mauer des Paradise 101.“ Na klar, das Hochwasser hat sie hochgehoben und ganz nach hinten versetzt.
Als wir Majj vorbeifahren sehen, hüpfen wir auch in unser Dinghy, wir hoffen helfen zu können und möchten natürlich auch gerne ein Video von dem Schiff am Strand machen. Majj begrüsst uns freundlichst und erklärt uns die Geschichte der Yacht und ihres Besitzers: „Sie ist seit zweieinhalb Jahren schon hier, der Besitzer ist in Mexiko. Er ist Musiker, hat sich hier in der Bucht in ein Mädchen verliebt und als sie schwanger wurde gingen sie nach Mexiko um das Kind zu bekommen. Jetzt ist das Kind gross genug für das Schiff, aber durch die MCO (Movement Control Order) kann er nicht zurück kommen.“
In der Zwischenzeit sind die Sicherheitsleute des Paradiese 101 dazu gekommen. Majj erklärt ihnen, dass wir nur Freunde seien und helfen möchten, der Besitzer der Yacht sei nicht da. Wir werden zum Protokoll gefilmt als wir unsere Namen sagen, verständlich, denn die Insel ist Privatbesitz und darf nicht einfach betreten werden.
Wir begutachten die Ankerkette, und es ist nicht verwunderlich, dass sie gerissen ist. Sie hatte schon ordentlich an Material verloren, eigentlich noch faszinierend was sich das Meer so alles holt.
Als nächstes ruft unser „Freund“ bei Ignacio in Mexiko an, dem Besitzer der Yacht. Er beruhigt ihn und gibt ihm zu verstehen, dass wir schon eine Lösung finden, vor allem fehle ein Anker, Kette sei noch genug im Kettenkasten. Majj meint wir müssten halt jemanden finden, der seinen Ersatzanker herleiht und im Anschluss einen kaufen gehen um den ausgeliehenen auszutauschen.
Oh weh, das hört sich kompliziert an. Reto und ich besprechen uns und entscheiden spontan, dass wir unseren Ersatzanker anbieten können. Wir müssen ihn nur ganz unten in den Kisten ausgraben. „Und was, wenn wir demnächst in einen Zyklon kommen, dann wird er uns eventuell fehlen“ überlegen wir noch kurz. Wenn man ihn braucht bekommt man so schnell keinen Anker, vor allem wenn ein Zyklon droht.
Trotzdem senden wir ein Bild von dem Anker und der Deal ist perfekt, wir möchten noch 100 Dollar für den 25 kg Bügelanker und Ignacio ist damit einverstanden.
Kurz vor dem Mittag holen die anderen unseren Anker von Bord, wir folgen mit einem weiteren Seil und der Kamera. Freudig begrüsst uns Majj „Ihr seid am filmen, cool! Seht, wir haben Euren Anker an die restliche Kette festgemacht, für die Wassertiefe hier reicht das gut“. Die Kette im Ankerkasten sieht tatsächlich aus wie neu im Vergleich zu dem total durchkorrodierten Rest, der im Wasser war.
Die Yacht Huia schwimmt mittlerweile schon wieder fast gerade auf, wir werden geordert auf der Rückseite der Yacht mit den Dingies zu stossen. Wir sind das erste Dinghy, nichts geht, dann kommt Tom als zweites, dann noch ein drittes. Mit Vollgas versuchen wir etwas zu bewegen, nichts rührt sich.
Ich sehe immer wieder zu den Sicherheitsmänner vom Paradise 101 rüber, sie schmunzeln über unsere unfruchtbaren Bemühungen. Irgendwann sind sie weg, wurde es ihnen zu langweilig?
Mehrere Male versuche ich Ruhe in die Situation zu bringen „wir haben doch noch Zeit, das Hochwasser ist erst in 1.5 Stunden“. „Ja, aber dann drückt der Wind die Yacht an die Mauer“ heisst das Gegenargument. „Nicht, wenn wir alle hier stehen bleiben wie wir sind und einfach abwarten“ versuche ich zu erklären.
In der Zwischenzeit sind 5 Dinghies am Drücken und sicher 2 oder 3 am Ziehen, wir wirbeln Sand auf ohne Ende, „die armen Tiere“ am Ufer denke ich nur.
Nach insgesamt 20 Minuten vollem Einsatz der Motoren ist es dann endlich soweit – die Huia fängt an sich zu bewegen! Juhui! In diesem Moment sehe ich die Jungs vom 101 mit ihrem orangen Arbeitsboot vorfahren und ich verstehe, warum sie nicht weiter zugesehn haben – sie kommen zum helfen! Super Typen!
Jetzt ist es eigentlich gelaufen, die Huia noch rasch zum Ankerplatz geleiten, Anker werfen, Kette sichern, was für ein Erlebnis.
Zum Abschluss frägt uns Majj noch nach dem Video, „sobald wie möglich“ ist unsere Antwort.
Und was passierte nun gestern, kurz nach dem Publizieren des Videos auf Youtube und Facebook? Er startet einen Shitstorm, der sich gewaschen hat. Reto reagiert erst gar nicht, denn er meint, er mache Spass! Das ist kein Spass sehen wir bald, wir werden als opportunistisch beschimpft, da wir unseren Ersatzanker um 100 Dollar verkauft haben und unter der Vorgabe helfen zu wollen, eigentlich nur mit einem Video Profit machen möchten. Um die Wogen eins zu eins mit ihm zu glätten anstatt in allen Social Media Kanälen rumzustreiten schreibe ich ihm direkt über Messenger und rufe ihn an: „I call my lawyer if you don’t take the video down“ bleibt bei uns von dem Shitstorm hängen.
Schade, war eigentlich ein gutes Video. Auch Ignacio hat uns sofort gratuliert und bestätigt „Thanks, amazing editing and filming“. Er hat mit dem Video kein Problem.
Hier nochmal für alle die gekürzte Version, es fehlen leider 3 Minuten, die sicher nicht langweilig waren.
Reto überlegt sich nun, ob er das Videoschneiden wieder aufgibt. Diese Aufregung ist eigentlich nichts für ihn.
Denn das war nicht das erste Mal. Schon vor vier Wochen mussten wir ein Video editieren, weil uns ein Mitarbeiter der Regierung gedroht hat, uns beim Geheimdienst als Verbreiter von „Fake News“ anzuzeigen. Dort konnten wir aber kurzum die bemängelte Szene direkt aus dem hochgeladenen Film schneiden und die Wogen waren wieder geglättet. Normal sollte man ja wie erwachsene Menschen miteinander reden können, oder nicht?
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Hallo Ihr beiden!
Was für eine Aktion! Hier beweist sich noch einmal, dass die Seglercomunity funktioniert. Super gemacht. Warum der verm. „Freund“ so reagierte, und Euch mit dem Anwalt drohte, habe ich nicht verstanden. Vielleicht ist das aber auch nicht zu verstehen. Und ein Preis von 100 Euro ist vielleicht auch für einen Musiker teuer, aber grundsätzlich nicht zu teuer. Der „Freund“ hätte noch bei anderen Seglern und an Land durchfragen können. Ich hätte es jedenfalls gemacht. Man kann aber auch nicht ein Video verbieten, nur wein ein geforderter Preis nicht passt…
Übrigens, wegen des „Rechtlichen“, ich habe Euch auf meinem Blog verlinkt. Ich hoffe, Ihr habt nichts dagegen. Es ist auch ohne Kommentar.
http://www.chulugi.de/corona-in-india-02-every-day-routine/
P.S.
Indien verlängert den Lockdown um zwei Wochen, aber je nach Bezirk und Region ist schon jetzt eine Lockerung. Wir sind in der Grünen Zone, dürfe ab heute also raus und shoppen. Nun, das fehlt uns aber mittlerweile gar nicht. Und spazieren in der Stadt brauchen wir nicht. Aber die Grenze, die sollten bitt‘ schön mal wieder für Segler öffnen.
Liebe Joanna, ja, eine seltsame Umgangsart… Immerhin hatte Ignacio eine Freude, dass er wieder einen Anker hat und dass seinem Boot nichts passiert ist. Schön für Euch, geniesst die Freiheit!
Hatte Euch ja auch in meinem letzten oder vorletzten Post verlinkt, ich kann Euch auch in die Freundeliste mitaufnehmen, da haben wir so einige Seiten verlinkt. Übrigens hab ich auch gerade einen Artikel für eine Zeitung in Passau geschrieben, der gute Chancen hat gedruckt zu werden, auch dort habe ich von Euch (u.a.) berichtet (zur Info ;-))
Es ist nicht zu glauben, welche Leute es gibtschrecklich!!!!
Das ist der Dank für eure Bemühungen????
Wir sind erschüttert!!!!
Lg von der SY Cina
Ja, der arme Besitzer der Yacht ist eigenltich nur glücklich, dass alle ihm geholfen haben und kennt sich nicht aus, was diese Aufrgeung jetzt soll…
Hey Andrea & Reto!
Glückwunsch zur Rettung des Bootes! Läßt Euch nicht irreleiten, Brasis sind manchmal komisch! ( bin ja selbst einer!)
Hab Eure Seite heute zufällig von einem Freund geschickt bekommen! Sitze in D fest durch Corona. Pacifico liegt gut versorgt in den Solomons.
Herzlichen Glückwunsch zu Eurer tollen Seite!
Wir sehen uns…..
Viele Grüße Hermann
Lieber Hermann, das freut uns ja ausserordentlich von dir zu hören und gut zu wissen dass Pazifico und du beide in Sicherheit seid. Reto frägt sofort:“Hats du dein Mädl jetzt in die Kavaschale gesetzt?“ Würden wir natürlich gerne sehen 😉 Danke für dein Lob und liebe Grüsse!